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AutorenbildVera Zischke

Wie sich Fake-Zitate verbreiten

Aktualisiert: 28. Nov. 2022

Es gibt dieses Zitat, das über die Jahre in allen großen deutschen Zeitungen gelandet ist. Es besagt, dass das menschliche Gehirn Bilder 60.000 Mal schneller wahrnimmt als Texte.

Das ist eine beeindruckende Vorstellung oder nicht?



Allerdings ist diese Behauptung falsch.

Ich habe versucht, für einen Kunden die Studie zum Zitat zu finden oder zumindest das Original-Zitat. Aber es gibt keins. Die Behauptung stammt aus einer Zusammenfassung einer Studie auf einem Statistik-Portal. Das Problem: Die Studie hat das nie ergeben. Immerhin fand ich nach langer Online-Recherche mit verschiedenen Keywords diesen Text, der die falsche Verwendung thematisiert.


Warum wurde das Fake-Zitat überall gedruckt?


Warum wird es dann überall zitiert? Sogar die großen deutschen Qualitätsmedien haben die verblüffende Unwahrheit verbreitet (edit: und in der Zwischenzeit wieder entfernt). Wir müssen jetzt alle sehr stark sein, denn die Wahrheit ist bitter: Je seriöser das Medium ist, das die Falschinformation veröffentlicht, desto kritikloser wird es weiter verbreitet. Getreu dem Motto, "wenn Spiegel online es schon schreibt, muss es stimmen".


Jeder schreibt von jedem ab und verlässt sich darauf, dass die anderen es gründlich recherchiert haben? Manchmal ist das leider so. Denn wie heißt es so schön: Studien haben ergeben, dass die Menschen jeden Quatsch glauben, wenn man Ihnen sagt, dass Studien es ergeben haben...


Und der Goldfisch? Auch ein Fake-Zitat?


„Was ist mit dem Goldfisch-Zitat? Ist das auch falsch?“, werden Sie jetzt vielleicht fragen.

Sie meinen die Studie, die besagt, dass wir Menschen nur noch eine Konzentrationsspanne von sieben Sekunden haben, während sich Goldfische immerhin acht Sekunden lang konzentrieren können, richtig?


Die Geschichte ist besonders gut. Es gab eine Studie von Microsoft Kanada, die die sieben-Sekunden-Spanne beim Menschen ermittelt hat. Aber die Wissenschaftler selbst haben nie den Querverweis zum Goldfisch gezogen. Das hat in dem Fall vielleicht ein gewitzter Journalist gemacht haben, der eine alte Lehrbuch-Regel befolgt hat: Suche immer einen Vergleich, mit dem die Leute etwas anfangen können. Klar ist bis heute nicht, woher überhaupt die Information über die Konzentrationsspanne von Goldfischen kommt und ob sie stimmt.


Wollen Sie mehr über professionelle Recherche wissen? Hier geht es zu meinem Text: "Recherche: Das muss ein Texter wissen"



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