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AutorenbildVera Zischke

Schock' Dich selbst - schreib' ein Buch

Aktualisiert: 28. Nov. 2022

Warum es etwas komplett anderes ist, einen Roman zu schreiben als eine Unternehmenschronik oder ein Handbuch? Ganz einfach: Es ist das Beängstigendste, was man schreiben kann.



„Aber du kannst doch schreiben“, sagt meine Mutter immer, wenn ich bei meinem Roman an einer Szene hänge, weil ich die Stimmung aus meinem Kopf einfach nicht aufs Papier kriege. Ich bin dann meistens genervt und antworte irgendwas wie: „Schreiben ist halt nicht gleich Schreiben“.


Das ist natürlich total unfair, weil meine Mutter immer die Erste ist, die mein verschrumpeltes Ego rettet, weil sie felsenfest davon überzeugt ist, dass ich einen Bestseller schreibe. Einfach nur, weil sie mich mag und mir alles zutraut. Danke, Mama!


“Der Kampf mit dem eigenen Autoren-Ich ist verdammt nochmal echt.”

Aber ja, dieser innere Kampf mit dem eigenen Autoren-Ich ist verdammt nochmal echt. Denn das Schreiben eines Romans hat herzlich wenig mit dem beruflichen Texten zu tun.


Eine Kernaussage für eine Webseite kurz und knackig in die Welt hinaus zu tragen ist etwas anderes, als erst einmal eine komplette Welt erschaffen zu müssen. Als Texterin schreibe ich nach außen. Romanschreiben macht man nach innen. Man wird komplett auf sich selbst zurückgeworfen und schöpft innere Wahrheiten aus sich heraus, von denen man selbst nicht wusste, dass sie in einem schlummern.


Die Schere im Kopf muss weg


Wenn ich einen Fachartikel für das Magazin der Tankstellenpächter schreibe, habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was mein Kunde sagen möchte, wen er erreichen möchte und welche Stilform er bevorzugt. Dem brauche ich gar nicht erst mit einer Reportage aus der Ich-Perspektive von der Gas-Zapfsäule zu kommen. Seine Leser stehen jeden Tag davor und ärgern sich über Sumpfhühner wie mich, die immer noch nicht kapieren, wie man den Tankstutzen richtig aufsetzt, nachdem man 15 Jahre lang Benziner gefahren ist. Außerdem kann sich ein Tankstellenpächter schlecht öffentlich über seine Kunden lustig machen.


Soll heißen: Es ist ungemein hilfreich, beim Content Texten seine Zielgruppe lebhaft vor Augen zu haben. Beim Schreiben eines Romans ist es komplett anders. Man sollte unbedingt vergessen, dass das Geschriebene jemals von irgendwem gelesen wird.

Am Anfang steht der luftleere Raum


“Es gibt gute Gründe dafür, warum erfolgreiche Autoren jahrelang über einer Geschichte brüten, bis sie reif genug ist, um zu Papier gebracht zu werden.”

Dummerweise fällt beim Roman auch das Briefing weg. Am Anfang steht das große Nichts. Man wählt das Universum, die Zeit, eine Zeitspanne, in der die Geschichte spielt und dann entwirft man den Hauptcharakter. Man hat ein verschwommenes Bild vor Augen, das man angestrengt betrachtet und sich fragt: Was möchte ich mit Dir erzählen? Was ist Deine Geschichte?


Es gibt gute Gründe dafür, warum erfolgreiche Autoren wie Kerstin Gier manchmal jahrelang über einer Geschichte brüten, bevor sie reif genug ist, um zu Papier gebracht zu werden. J.R.R. Tolkien soll 14 Jahre an der "Herr der Ringe"-Welt gefeilt haben. Für eine "Tageszeitungs-Tante" wie mich, die früher morgens anfing zu recherchieren, damit sie bis abends die Zeitung vollschreiben konnte, ist diese Art von Ausdauer eine ziemliche Herausforderung.


Das ist übrigens auch so ein Thema von uns Journalisten und Textern: Wir sind es gewohnt, dass man uns zumindest grob sagt, in welche Richtung es thematisch gehen soll. „Wir müssten mal über…“, heißt das in der Redaktion, „Ich bräuchte mal was für…“ heißt es beim Texterkunden. Bei einem Roman hat man auch mit anderen Menschen zu tun, aber die erschafft man selbst.

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