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Recherche für Autoren: Wo fange ich an, wo höre ich auf?

Aktualisiert: 5. März

Recherche ist aufwändig. Schließlich muss man alles über einen Ort/eine historische Figur/das Essverhalten seiner Figuren wissen, bevor man anfängt zu schreiben. Wirklich? So verzettelst du dich nicht bei der Faktensuche.

Das mit dem Allwissenheitsanspruch ist natürlich Quatsch. Ein Zeitungsjournalist schreibt auch nicht über alles, was jemals zu einem Thema herausgefunden wurde. Ein Artikel handelt nie von „dem Klimawandel“, sondern zum Beispiel von den Folgen des Klimawandels für Meerestiere. Es geht immer nur um einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Und so ist es mit deiner Geschichte auch.


Deine Recherche wird von deinen Figuren bestimmt


Entdeckst du mit deinen Figuren gemeinsam einen fremden Ort oder kennen sie sich bereits aus? Wenn sie fremd sind: Finde heraus, was jemandem auffallen würde, der zum ersten Mal… sagen wir mal durch die schottischen Highlands reist.

Dein Protagonist lebt schon sein ganzes Leben dort? Dann wird er möglicherweise bei zehn Grad noch in Shorts rumrennen, weil… Sommer in Schottland…

Pick dir Aspekte raus, die verdeutlichen, was es bedeutet, zu der Zeit an diesem Ort zu sein anstatt den 360-Grad-Rundum-Blick anzustreben.


Achtung, bitte kein Infodumping


Noch ein Tipp fürs literarische Schreiben: Es ist schwer, von Fakten auf Empfindungen zu schließen. Das weiß jeder, der früher in der Bravo Knutsch-Anleitungen gelesen hat und dann später feststellte, dass die korrekte Lippenfarbe nichts ist, was im Moment der Wahrheit interessiert. Oder anders gesagt: Keiner wird sich in der schottischen Highland-Bergbauern-Romanze hinstellen und sagen: „In Schottland werden ca. 75% der Landfläche für die Landwirtschaft genutzt. Davon werden 25% als Ackerland und 50% als Weideland bewirtschaftet.“


Soll heißen: Oftmals braucht ihr Empfindungen statt Fakten. Lies dir Berichte von Menschen durch, die erlebt haben, was euren Protagonisten widerfährt. Zum Glück bietet das Internet reichlich Material oder sogar die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen.

Wann ist eine Recherche abgeschlossen?

Wenn eine Frage, die du dir vorher gestellt hast, beantwortet ist. Und denk daran: Präzise und kleinteilige Fragen stellen. Nicht: Wie geht Skifahren? Sondern zum Beispiel: Wie fühlt es sich an, eine Piste herunterzusausen, wenn man seit Jahren nicht auf Skiern gestanden hat? Welch Art von Schnee wünscht sich ein Skifahrer und wie fühlt es sich an? Teile dir deine Welt in Portionshäppchen ein und hake eine Frage nach der anderen ab.


Zahlen nur erwähnen, wenn es sein muss


Ein Zeitungsredakteur checkt abschließend noch einmal alle konkreten Zahlen, Zeitangaben und Namen. Denn was einmal gedruckt ist, lässt sich nicht mehr ändern und diese vermeidbaren Fehler tun besonders weh. AutorInnen haben es da sehr viel leichter. Sie können Zahlen in vielen Fällen weglassen, ohne dass dem Leser etwas fehlt. Mehr noch: Sobald du Angaben wie "20 Minuten später", "drei Meter entfernt" einfügst, springt im Kopf von Lesenden eine Art Überprüfungsprogramm an. Eventuell wird nochmal nachgeblättert und gecheckt, ob die Angaben zu vorhergegangenen passen.


Nichts ist unnötiger als irritierte Leser, weil man die Rinderherde des schottischen Bergbauern auf 200 Tiere taxiert hat und hundert Seiten weiter nur noch von drei Dutzend Tieren schreibt. Was ist mit den bedauernswerten Tieren passiert? Das gleiche Irritationspotenzial haben unnötige Zeit- und Temperaturangaben. Darum: Lass jede Zahl weg, die nicht zwingend nötig ist.


Bisher erschienen in der Reihe "Recherche für AutorInnen":

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© by Vera Zischke

Porträts: Anna Schwartz

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