top of page
AutorenbildVera Zischke

Dialoge mit Charakter am Beispiel von Léon der Profi

Aktualisiert: 2. Feb. 2023

Manche Dialoge liefern eine komplette Charakterbeschreibung in einer Zeile. In diesem Beitrag widmen wir uns der Frage, wie ihr eure Figuren in Dialogen zum Leben erweckt. Wir verraten nämlich alle im Subtext mehr über uns, als wir wollen. Als Beispiel nehmen wir eine Szene aus dem Film "Léon der Profi".




Lasst uns über Dialoge reden. Wie klingt guter Dialog? Woran erkenne ich ihn und welche Arten von Dialogen gibt es? Ich hatte euch ja versprochen, immer mal wieder Beispiele aus Filmen zu nennen (Filme deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit höher ist, Gemeinsamkeiten zu finden).

Ich habe jetzt diverse Stunden damit zugebracht, mir Filmklassiker reinzuziehen, die ich so gut finde, dass ich mir sicher war, gute Dialoge darin zu finden, und muss erstaunt feststellen: Nur weil ich einen Film gut finde heißt das noch nicht, dass er starke Dialoge hat.

Nun gut, ich habe mich nicht abschrecken lassen und Beispiele für 5 Dialoge gefunden, die ich euch nun in loser Reihenfolge hier vorstellen werde:

  1. den charakterisierenden Dialog (Léon der Profi)

  2. den Dialog mit Botschaft (Forrest Gump)

  3. den auflockernden Dialog/Comic Relief (Pulp Fiction)

  4. den eleganten Infodump (Dogma)

  5. den poetischen Dialog (Interview mit einem Vampir)

Vielleicht finde ich noch mehr, aber immerhin ist mir aufgefallen, dass AutorInnen ihre Dialoge für diese Zwecke benutzen. Wenn wir uns bewusst machen, wie wir Dialog einsetzen können, haben wir ein grandioses Werkzeug in der Hand, um viel Bedeutung/Charakter/Orientierung in einen einzigen Satz, manchmal ein einziges Wort zu legen. Ich meine, es ist ein Unterschied, ob jemand sagt: „Ihre Frau ist sympathisch“ oder „Nettes Frauchen haben Sie da“.

Disclaimer: Natürlich sind Dialoge immer charakterisierend. Sprache verrät viel über Figuren. Ich fokussiere mich in den Beispielen aber auf den vorrangigen Zweck eines Dialogs (zumindest was ich dafür halte).




Also, let’s go:

Léon der Profi - der charakterisierende Dialog

Drehbuch: Luc Besson

Darum geht’s: Der Auftragskiller Léon (Jean Reno) hat das Nachbarsmädchen gerettet, deren gesamte Familie von korrupten Polizisten hingerichtet worden ist. Jetzt steht die Frage im Raum, was aus Mathilda (Natalie Portman) werden soll. Mathilda hat eine sehr klare Vorstellung: Sie will von Léon zur Killerin ausgebildet werden, um Rache üben zu können. Im Gegenzug will sie dem Analphabeten das Lesen beibringen. Info vorab: Cleaner heißt Killer.


Mathilda (hält ihm einen Zettel hin): Lies das.

Léon zögert.

M: Verstehe, du kannst nicht lesen.

L: Ich will es lernen, aber hab viel Arbeit in letzter Zeit. Bin aus der Übung. Was steht da?

M (zieht den Zettel zurück): Die Entscheidung ist gefallen. Ich ändere mein Leben. Ich werde Cleaner.

L: Du wirst Cleaner? Hier, nimm das (schiebt den Waffenkoffer rüber). Ein Abschiedsgeschenk. Geh und töte. Aber nicht mit mir. Ich arbeite allein, verstehst du?

M: Bei Bonnie und Clyde hat’s funktioniert. Bei Thelma und Louise hat’s funktioniert. Und die waren die Besten.

L: Mathilda, wieso tust du mir das an? Ich bin immer sehr nett zu dir gewesen. Ich hab dir sogar das Leben gerettet. Direkt hier vor der Tür.

M: Richtig, und deswegen bist du ab heute für mich verantwortlich.



Das ist mir aufgefallen:

  • Aus dem Dialog erfahren wir enorm viel über die Selbst- und Weltsicht der Figuren. Auch die Dynamik zwischen den beiden wird deutlich: Sie sind auf Augenhöhe bzw. gelegentlich wirkt Mathilda lebensklüger als Léon. Léon behandelt sie zu keiner Zeit wie ein unwissendes Kind.

  • Interessant ist auch, welche Bilder Mathilda vor Augen hat, wenn sie an Profikiller denkt. Da kommt dann doch die naive Sicht des Kindes durch.

  • Léons Rechtfertigung für seinen Analphabetismus ist interessant. Er räumt ihn zwar halbherzig ein, relativiert aber gleichzeitig.

  • Es wird ebenfalls deutlich: Léon ist zwar ein Krimineller, aber er hat Prinzipien. Und er bezeichnet sich als Cleaner, nicht als Killer. Er sieht sich also als jemand, der für andere den Dreck wegräumt. Das sagt viel darüber aus, wie er seinen Job vor sich rechtfertigt.

  • Wir verstehen in dieser Szene auch ganz generell, was den Film so außergewöhnlich macht. Mit anderen Figuren und in einem anderen Milieu würde der Nachbar mit dem Kind sofort zum Jugendamt gehen und es in Obhut geben - Film zu Ende. Léon würde das niemals tun. Warum das so ist, erfahren wir im Laufe des Films.

Jetzt du. Was nimmst du aus diesem Dialog mit? Und nutzt du auch gern Subtext, um die Persönlichkeit deiner Figuren zu zeigen?


Möchtest du mehr über richtig Gute Dialoge wissen? Dann lies die bisherigen Teile der Serie:


Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page